Vorratsdatenspeicherung: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Jahresübersicht des Bundesverfassungsgerichtes<ref>[http://http://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Verfahren/Jahresvorausschau/vs_2017/vorausschau_2017_node.html Jahresvorausschau 2017] der Verfahren beim Bundesverfassungsgericht</ref> sieht keine Verhandlung noch anhängiger Verfassungsbeschwerden zur Vorratsdatenspeicherung im Jahr 2017 vor.
Die Jahresübersicht des Bundesverfassungsgerichtes<ref>[http://http://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Verfahren/Jahresvorausschau/vs_2017/vorausschau_2017_node.html Jahresvorausschau 2017] der Verfahren beim Bundesverfassungsgericht</ref> sieht keine Verhandlung noch anhängiger Verfassungsbeschwerden zur Vorratsdatenspeicherung im Jahr 2017 vor.


===Rechtliche Bewertungen===
===Rechtliche Bewertungen===


Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages fertigte zwei Rechtsgutachten zum Gesetzentwurf an. Die Ausarbeitung zu europarechtlichen Spielräumen sieht im Ergebnis in der Entscheidung des EuGH weder den Ausschluss einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung noch vermag das Fazit gegenteiliges zu entdecken. Die Grenzen einer grundrechtskonformen Vorratsdatenspeicherung ließen sich den Urteilsgründen nicht trennscharf entnehmen und es könne nicht abschließend festgestellt werden, ob der Gesetzentwurf den Anforderungen des Gerichtshofs zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (Art.7, 8 und 52 EU-Charta) entspräche<ref>https://pound.netzpolitik.org/wp-upload/WissDienst_VDS_EU.pdf Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 53/15] des Fachbereichs Europa der Unterabteilung Europa des Deutschen Bundestages: Europarechtliche Spielräume zur Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (PDF)</ref>.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages fertigte 2015 zwei Rechtsgutachten zum Gesetzentwurf an. Die Ausarbeitung zu europarechtlichen Spielräumen sieht im Ergebnis in der Entscheidung des EuGH weder den Ausschluss einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung noch vermag das Fazit gegenteiliges zu entdecken. Die Grenzen einer grundrechtskonformen Vorratsdatenspeicherung ließen sich den Urteilsgründen nicht trennscharf entnehmen und es könne nicht abschließend festgestellt werden, ob der Gesetzentwurf den Anforderungen des Gerichtshofs zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (Art.7, 8 und 52 EU-Charta) entspräche<ref>[http://www.bundestag.de/blob/405292/df5b5f6a05ff0e883c12530f9c101c06/pe-6-053-15-pdf-data.pdf Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 53/15] des Fachbereichs Europa der Unterabteilung Europa des Deutschen Bundestages: Europarechtliche Spielräume zur Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (PDF)</ref>.
 
 
Die Ausarbeitung zur Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts kommt zu dem Schluss, dass sich der Gesetzentwurf in weiten Teilen eng an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts halte. Gleichwohl wird eine Reihe von Unklarheiten festgestellt, die der Korrektur bedürften, wie etwa unterschiedliche Bezeichnung der Daten, die Vorschrift über die Löschung der Daten, die Regelung zur Weitergabe der Vorratsdaten an andere Behörden für andere Zwecke, nicht normenklare Umsetzung der Benachrichtigung der Betroffenen. Der Umfang der Untersuchung des Gesetzentwurfes beschränkt sich (gem. Gutachterauftrag) zudem allein auf die Regelungen des Gesetzentwurfs, die sich direkt auf die Vorratsdatenspeicherung beziehen. Das Gutachten lässt somit eine weitergehende und umfassende Betrachtung des Entwurfes außer Acht. Unberücksichtigt bleiben daher sonstige Verstöße gegen verfassungsrechtliche Vorgaben, die Regelungen zu Daten für die Abrechnung und zum Nachweis von Dienstleistungen, der neue Straftatbestand der Datenhehlerei, die Förderung der Effektivität der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung und Erhöhung der Aufklärungsrate durch die Verwendung der Daten, Aspekte und Wirkungen aufgrund technischer Strukturen von TK-Einrichtungen sowie technischer Definitionen von TK-Begriffen<ref>[http://www.bundestag.de/blob/405516/3e022415be167538b39ea8f039600370/wd-3-108-15-pdf-data.pdf Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 108/15] Die Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 27. Mai 2015 (PDF)</ref>.
 


Im Januar 2017 wurde eine weitere Ausarbeitung des Fachbereichs Europa des Bundestages sowie eine Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste veröffentlicht.
Die neuerliche Ausarbeitung betrachtet die "Vereinbarkeit des Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten mit dem EuGH-Urteil vom 21. Dezember 2016 zur Vorratsdatenspeicherung"<ref>[http://www.bundestag.de/blob/492116/d7f0beffe3ae7b37bd666d6b70e2cd22/pe-6-167-16-pdf-data.pdf Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 167/16] des Fachbereichs Europa der Unterabteilung Europa: Zur Vereinbarkeit des Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten mit dem EuGH-Urteil vom 21. Dezember 2016 zur Vorratsdatenspeicherung (PDF)</ref>. Im Ergebnis weist sie darauf hin, eine rechtskonforme Vorratsdatenspeicherung müsse mit dem {{eur|32002L0058|DE|Art. 15 Abs. 1 Richtlinie 2002/58/EG}} und den Grundrechten der Artikel 7, 8, 11 und 52 der [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:32000X1218(01):DE:HTML Charta der Grundrechte der Europäischen Union] vereinbar sein und stellt im Folgenden fest, das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten
erfülle die Vorgaben der EuGH-Entscheidung nicht im vollen Umfang.
{{Zitat-npr
|Text = Dieses Gesetz erfüllt nicht die Vorgabe des EuGH, dass
* bereits die Speicherung von Vorratsdaten nur bei Vorliegen des Verdachts einer schweren Straftat zulässig ist,
* nur Vorratsdaten solcher Personen gespeichert werden, die Anlass zur Strafverfolgung geben,
* die Vorratsdatenspeicherung sich nicht auf geografisch eingegrenzte Gebiete beschränkt,
* die Vorratsdaten solcher Personen nicht gespeichert werden dürfen, deren davon betroffene Kommunikationsvorgänge nach den nationalen Rechtsvorschriften dem Berufsgeheimnis unterliegen,
* grundsätzlich nur Zugang zu den Daten von Personen gewährt wird, die im Verdacht stehen, eine schwere Straftat zu planen, zu begehen oder begangen zu haben oder auf irgendeine Weise in eine solche Straftat verwickelt zu sein oder dass in besonderen Situationen, in denen vitale Interessen der nationalen Sicherheit, der Landesverteidigung oder der öffentlichen Sicherheit durch terroristische Aktivitäten bedroht sind, Zugang zu Daten anderer Personen nur gewährt wird, wenn es objektive Anhaltspunkte dafür gibt, dass diese Daten in einem konkreten Fall einen wirksamen Beitrag zur Bekämpfung solcher Aktivitäten leisten können.
|Autor  = Fachbereich Europa der Unterabteilung Europa
|Quelle = Quelle: Bundestag
|vor =»
|nach =«
|ref = ''[http://www.bundestag.de/blob/492116/d7f0beffe3ae7b37bd666d6b70e2cd22/pe-6-167-16-pdf-data.pdf Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 167/16]''
}}
Zugleich wird vermerkt, dass die Entscheidung des EuGH allein auf die konkrete Ausgestaltung der zwei verhandelten Regelungen einzelner Mitgliedstaaten eingeht und die abschließende Bewertung einer Unvereinbarkeit dem EuGH zu überlassen bleibt.


Die Ausarbeitung zur Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts kommt zu dem Schluss, dass sich der Gesetzentwurf in weiten Teilen eng an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts halte. Gleichwohl wird eine Reihe von Unklarheiten festgestellt, die der Korrektur bedürften, wie etwa unterschiedliche Bezeichnung der Daten, die Vorschrift über die Löschung der Daten, die Regelung zur Weitergabe der Vorratsdaten an andere Behörden für andere Zwecke, nicht normenklare Umsetzung der Benachrichtigung der Betroffenen. Der Umfang der Untersuchung des Gesetzentwurfes beschränkt sich (gem. Gutachterauftrag) zudem allein auf die Regelungen des Gesetzentwurfs, die sich direkt auf die Vorratsdatenspeicherung beziehen. Das Gutachten lässt somit eine weitergehende und umfassende Betrachtung des Entwurfes außer Acht. Unberücksichtigt bleiben daher sonstige Verstöße gegen verfassungsrechtliche Vorgaben, die Regelungen zu Daten für die Abrechnung und zum Nachweis von Dienstleistungen, der neue Straftatbestand der Datenhehlerei, die Förderung der Effektivität der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung und Erhöhung der Aufklärungsrate durch die Verwendung der Daten, Aspekte und Wirkungen aufgrund technischer Strukturen von TK-Einrichtungen sowie technischer Definitionen von TK-Begriffen<ref>[https://pound.netzpolitik.org/wp-upload/WissDienst_VDS_DE.pdf Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 108/15] Die Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 27. Mai 2015 (PDF)</ref>.
Die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste vom Januar 2017 beschäftigt sich mit den Auswirkungen auf den Strafprozess bei einer möglicherweise bestehenden Unvereinbarkeit<ref>[http://www.bundestag.de/blob/494468/0c0288db990483de26d9e9fa02d69119/wd-7-191-16-pdf-data.pdf Ausarbeitung WD 7 - 191/16]: Auswirkungen auf den Strafprozess bei einer möglicherweise bestehenden Unvereinbarkeit des Gesetzes zur Einführung einer Speicher-pflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten mit dem Ur-teil des EuGH vom 21. Dezember 2016 zur Vorratsdatenspeicherung</ref> und prüft diese  Auswirkungen im Hinblick auf laufende Ermittlungsverfahren, Zwischen- und Hauptverfahren, nicht rechtskräftig abgeschlossene Verfahren sowie auf rechtskräftige Urteile. Hierbei werden insbesondere betrachtet: Beweisverbote (Erhebung und Verwertung), Fernwirkung auf andere Verfahren, die Beachtlichkeit hypothetischer Kausalverläufe (Ergebnis bei rechtmäßigem Verhalten), Folgen für Zwischenverfahren (Einstellung des Verfahrens oder Freispruch), für nicht rechtskräftig abgeschlossene Verfahren (Berufung, Revision) sowie  für rechtskräftige Urteile (Durchbrechung der Rechtskraft, Wiedereinsetzung und -aufnahme), die Entschädigung und Staatshaftung, die Vorlagepflicht deutscher Gerichte (Verpflichtung der Rechtsauffassung des EuGH zu folgen). Als eine  Konsequenz spricht das Gutachten schließlich den Handlungsbedarf des Gesetzgebers in der Form an, dass das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten möglicherweise aufzuheben sei. Dieser Handlungsbedarf richte sich allerdings danach, ob und inwieweit der EuGH die
deutsche Regelung tatsächlich für mit dem Unionsrecht unvereinbar befinde.