Datenschutz in Jobcentern und Arbeitsagenturen

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Hinweise und Hilfestellungen aus dem 24. Tätigkeitsbericht der Bundesdatenschutzbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI).

Erhebung und Speicherung von Unterlagen

Pass oder Personalausweis

Bei Anträgen auf Arbeitslosengeld II müssen die dazu erforderlichen Unterlagen vorgelegt werden, um die Anspruchsvoraussetzungen nach den §§ 7 ff. SGB II feststellen zu können, was auch die Überprüfung der Identität einschließt (§ 60 Absatz 1 Nummer 3 i.V.m. § 61 SGB I). Zur Kontrolle der Personalien können die Mitarbeiter der Jobcenter auch die Vorlage eines gültigen Passes oder Personalausweises verlangen, da die Daten des Personalausweises, insbesondere die aktuelle Wohnanschrift, mit den Angaben im Antrag übereinstimmen müssen. Eine Kopie des Dokuments in der Akte ist aber zur Identifizierung und Aufgabenerfüllung nicht erforderlich. Vielmehr genügt ein dort oder auf dem Antragsformular anzubringender Vermerk, dass der aktuelle Personalausweis oder ein anderes Ausweisdokument vorgelegen hat.

Dies entspricht auch der Auffassung der Bundesagentur für Arbeit (vgl. „HEGA 01/12 – 08 – Empfehlungspaket zum Aufbau und Führen einer Leistungsakte“, ab 20.03.2013 HEGA 03/13 - 09[1]) und der für die Jobcenter in der Rechtsform der zugelassenen kommunalen Träger (Optionskommunen) zuständigen Datenschutzbeauftragten der Länder, wie eine schriftliche Umfrage unter den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 31. Januar 2012 bestätigt hat.


Kontoauszüge

Die Vorlage der Kontoauszüge darf das Jobcenter bei der Beantragung von Leistungen nach dem SGB II regelmäßig für einen zurückliegenden Zeitraum von drei Monaten verlangen, gleichgültig, ob es sich um einen Erstantrag, einen Folgeantrag oder eine einmalige Leistung handelt[2].

Auch in Einzelfragen kann die Vorlage von Auszügen erforderlich sein, wenn der Zugang eines Einkommens auf dem Konto zu prüfen ist. Eine weitergehende Verpflichtung, Kontoauszüge für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten einzureichen, kann regelmäßig bei selbständigen Leistungsberechtigten bestehen, da diese die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben des vergangenen Bewilligungszeitraums (i.d.R. sechs Monate, vgl. § 41 Absatz 1 Satz 4 SGB II) nachweisen müssen.


Schon bei der Aufforderung muss seitens des Jobcenters auf die Möglichkeit zur Schwärzung einzelner Passagen hingewiesen werden. Diese Möglichkeit besteht jedoch nur bei Ausgabebuchungen und nicht bei Einnahmen, denn Geldeingänge muss das Jobcenter daraufhin prüfen, ob diese als Einkommen (§ 11 SGB II) den Leistungsanspruch mindern. Die Schwärzungsmöglichkeit bei Ausgabebuchungen bezieht sich nicht auf das Buchungs- und Wertstellungsdatum oder den Betrag, sondern ausschließlich auf bestimmte Passagen des Empfängers und des Buchungstextes, wenn der zu Grunde liegende Geschäftsvorgang für die Prüfung durch das Jobcenter plausibel bleibt. Geschwärzt werden dürfen vor allem die in den Auszügen enthaltenen besonderen Arten personenbezogener Daten, wie Angaben über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse und philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit und Sexualleben. Nach der Schwärzung des genauen Namens des Empfängers müssen Texte wie „Mitgliedsbeitrag“, „Zuwendung“ oder „Spende“ als grundsätzlicher Geschäftsvorgang erkennbar bleiben.


Nach der Einsicht in die Kontoauszüge muss dem Jobcenter aber regelmäßig der Vermerk in der von ihm geführten Akte genügen, diese hätten vorgelegen und keine Auswirkung auf den Leistungsanspruch gehabt. Eine Speicherung einzelner Buchungen oder Auszüge (§ 67 Absatz 6 Satz 2 Nummer 1 SGB X) kommt nur dann in Betracht, wenn sich aus den Unterlagen ein weiterer Ermittlungsbedarf oder eine Änderung in der Leistungshöhe ergibt.


Gesundheitsdaten bei den Agenturen für Arbeit

Bei den nötigen Feststellungen zu ihrer Gesundheit haben die Betroffenen mitzuwirken, die Einstellung der Leistungen kann aber nur das letzte Mittel sein.

Die Fachkräfte der Agenturen für Arbeit haben neben den beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten auch gesundheitliche Einschränkungen ihrer Kunden zu berücksichtigen, die sich auf deren berufliche Eingliederung auswirken. Bei Angaben zur Gesundheit handelt es sich um sensible persönliche Daten i.S.d. § 67 Absatz 12 SGB X.


Muss ich meine Ärzte von der Schweigepflicht entbinden?

Bei der Erhebung von Gesundheitsdaten können Mitwirkungspflichten der arbeitslos gemeldeten Personen bestehen. Schwierig bleibt die Unterscheidung, wo die freiwillige Angabe durch die Betroffenen endet und wo die – sanktionierbare – Mitwirkungspflicht beginnt. Es bestehen nach wie vor unterschiedliche Auffassungen darüber, bis zu welchem Grad hierbei Betroffene mitwirken müssen und welche Folgen eine fehlende Mitwirkung auslöst.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) ist der Ansicht, die Abgabe einer Schweigepflichtentbindung falle unter die Mitwirkungspflichten der §§ 60 ff. SGB I. Käme ein Betroffener dieser Pflicht nicht nach, könnten die Leistungen versagt oder entzogen werden (§ 66 Absatz 1 SGB I). Übereinstimmung besteht darin, dass Mitarbeiter der BA im erforderlichen Umfang Kenntnis über gesundheitliche Einschränkungen der Betroffenen haben müssen. Wenn diese Auswirkungen auf die Vermittlung haben können, ist es Aufgabe der Agenturen für Arbeit festzustellen, worin die konkreten Einschränkungen bestehen und wie sich diese auf die Leistungsfähigkeit auswirken. Die Betroffenen sind dazu verpflichtet, bei der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken (§§ 60 bis 62 SGB I).


Der BfDI teilt nicht die Auffassung der BA, bereits die fehlende Erteilung einer Schweigepflichtentbindung berechtige sie dazu, die Leistungen einzustellen. Die Entbindung der Ärzte von der Schweigepflicht ist nicht der einzige Weg, um den Sachverhalt aufzuklären. Die BA kann den vom Betroffenen ausgefüllten Gesundheitsfragebogen und eingereichte Befundunterlagen durch den eigenen Ärztlichen Dienst auswerten lassen oder eine persönliche Meldung des Betroffenen zu einer Untersuchung beim Ärztlichen Dienst anordnen. Bevor die Agentur die Leistungen versagt oder entzieht, sind daher die weiteren Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Eine Entziehung oder Versagung der Leistungen allein aufgrund einer nicht erteilten Schweigepflichtentbindung würde einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellen, wenn der Betroffene bereit ist, auf andere Weise mitzuwirken.

Der BfDI erwartet, dass die BA seine Rechtsauffassung bei ihren Entscheidungen über die Entziehungen von Leistungen nach § 66 SGB I künftig berücksichtigt.


Darf mein Arbeitsvermittler die Unterlagen für den Ärztlichen Dienst lesen?

Der „Praxisleitfaden zur Einschaltung des Ärztlichen Dienstes im Bereich des SGB II und SGB III“[3] der BA regelt, dass Gesundheitsunterlagen im verschlossenen Umschlag einzureichen sind.

Die in den Agenturen für Arbeit tätigen Fachkräfte sind nicht dafür ausgebildet, medizinische Unterlagen auszuwerten. Dies ist Aufgabe des Fachpersonals des Ärztlichen Dienstes. Für den Ärztlichen Dienst eingereichte Unterlagen, die sensible Daten enthalten, gehören nicht in die Hände der Arbeitsvermittler und dürfen ohne Einwilligung der Betroffenen weder geöffnet noch eingesehen werden.


Übermittlung eines ärztlichen Gutachtens an das Sozialamt

Unter bestimmten Voraussetzungen dürfen Jobcenter ärztliche Gutachten an Sozialämter weiterleiten.

Die in den ärztlichen Gutachten erhobenen Gesundheitsdaten sind sensible personenbezogene Daten besonderer Art (§ 67 Absatz 12 SGB X), die allerdings durch die Jobcenter als Stellen nach § 35 SGB I für die Prüfung der Erwerbsfähigkeit als gesetzliche Aufgabe erhoben, verarbeitet und genutzt werden dürfen (§ 67a Absatz 1 Satz 1, § 67b Absatz 1 Satz 1 SGB X i.V.m. § 8 SGB II).

Die Kenntnis der Inhalte dieser Gutachten ist für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe der Sozialämter als Leistungsträger nach § 28 SGB I erforderlich, wenn die Betroffenen dort Anträge auf Leistungen nach dem SGB XII stellen. Der Anspruch auf Sozialhilfe nach dem SGB XII besteht, sobald bei der Begutachtung eine dauerhafte oder zumindest mehr als sechsmonatige Erwerbsunfähigkeit festgestellt wurde. Die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für die beantragten Leistungen kann stellenweise nur anhand der ärztlichen Gutachten der Jobcenter (Teil B, sozialmedizinische Stellungnahme mit den Angaben zur Erwerbs- und Leistungsfähigkeit, ohne medizinische Dokumentation und Erörterung) durchgeführt werden.


Der Ersterhebungsgrundsatz nach § 67a Absatz 2 Satz 1 SGB X sieht grundsätzlich eine Anforderung der Gutachten durch die Sozialämter bei den Betroffenen selbst vor. Für die Übermittlung von Gesundheitsdaten zwischen Sozialleistungsträgern lässt § 67a Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 SGB X nur eine gesetzlich eng geregelte Ausnahme von diesem Grundsatz zu. Nach dieser dürfen die Sozialdaten ohne Mitwirkung der Betroffenen von den Sozialämtern nur erhoben werden, wenn die Jobcenter ihrerseits zur Übermittlung der Daten an die Sozialämter befugt sind.

Die entsprechende Befugnis leitet sich bei vorliegender Fallgestaltung aus § 76 Absatz 2 Nummer 1 i.V.m. § 69 Absatz 1 Nummer 1 SGB X ab. Danach darf ein ärztliches Gutachten, das im Hinblick auf den Bezug von Sozialleistungen erstellt wurde, vom Jobcenter nur übermittelt werden, wenn es für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe des Empfängers, hier des Sozialamtes, erforderlich ist und der Betroffene der Übermittlung nicht widersprochen hat. Die Betroffenen müssen von den Jobcentern als verantwortliche Stelle zu Beginn des Verwaltungsverfahrens in allgemeiner Form darauf hingewiesen.werden.


Jeder Antragsteller auf Leistungen nach dem SGB II hat von seinem Jobcenter das „Merkblatt SGB II – Grundsicherung für Arbeitsuchende“ der BA (Stand August 2014) erhalten, wo unter der Überschrift „Datenschutz“ auf Seite 70 das Folgende ausgeführt ist:

"Ärztliche Gutachten enthalten besonders schutzwürdige Sozialdaten und sind nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 SGB X von einer Übermittlung an Dritte, wie z.B. andere Sozialleistungsträger oder sonstige Stellen im Sinne des § 35 SGB I, ausgeschlossen, wenn Sie dieser Übermittlung ausdrücklich widersprechen."

Zusätzlich wird vor jeder Begutachtung durch den Ärztlichen Dienst der BA ein Gesundheitsfragebogen mit vorangestelltem „Informationsblatt zur Vorstellung im Ärztlichen Dienst“ an die Betroffenen ausgehändigt. Darin ist der im Schriftbild besonders hervorgehobene Hinweis

"Medizinische Daten sind von der Übersendung ausgeschlossen, wenn Sie der Übermittlung ausdrücklich widersprochen haben."

enthalten.

Mit den schriftlichen Hinweisen auf das Widerspruchsrecht kommen die Jobcenter ihrer Pflicht nach § 76 Absatz 2 Nummer 1 SGB X nach. Der Gesetzgeber hat in seiner Begründung zum 2. Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuchs (2. SGBÄndG vom 18. Juni 1993) ausgeführt, der letzte Halbsatz in § 76 Absatz 2 Nummer 1 SGB X sei eingefügt worden, um klarzustellen, dass der Betroffene nur in allgemeiner Form auf sein Widerspruchsrecht hinzuweisen ist (vgl. Bundestagsdrucksache 12/5187 zu § 76 SGB X[4]).

Dürfen Jobcenter Daten aus sozialen Netzwerken verwenden?

Jobcenter sollten von Recherchen in Internetsuchmaschinen und sozialen Netzwerken nur ausnahmsweise Gebrauch machen. Der BfDI legte den Jobcentern nahe, Internetsuchmaschinen und soziale Netzwerke im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung nur in Ausnahmefällen und nach vorheriger Prüfung aller gesetzlichen Voraussetzungen zu nutzen.

Die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Nutzung von Internetsuchmaschinen und sozialen Netzwerken im Rahmen der Sachverhaltsermittlung (§ 20 SGB X), lässt sich nur differenziert und unter Beachtung der Grundsätze des Sozialdatenschutzes (§§ 67 ff. SGB X) beantworten.


Zunächst muss die Erforderlichkeit der Datenerhebung für die Aufgabenerfüllung in jedem Einzelfall gegeben sein (§ 67a Absatz 1 Satz 1 SGB X). Weiterhin gilt auch für die Jobcenter der Grundsatz, dass Sozialdaten zuerst beim Betroffenen zu erheben sind (§ 67a Absatz 2 Satz 1 SGB X), was dessen bewusste Mitwirkung an der Datenerhebung voraussetzt, die bei der Erhebung im Internet grundsätzlich nicht gegeben ist. Im Fall sozialer Netzwerke haben die Betroffenen zwar ihre Daten selbst eingestellt, jedoch keine Kenntnis davon, dass das Jobcenter Daten gezielt aus sozialen Netzwerken auswertet. Dazu kommt, dass die Nutzungsbedingungen dieser sozialen Netzwerke in vielen Fällen eine zweckfremde Nutzung ausschließen, soweit der Nutzer diese Daten nicht für die öffentliche Verwendung freigegeben hat. Damit haben die Betroffenen an der Datenerhebung nicht bewusst mitgewirkt. Dies gilt umso mehr, wenn die Informationen durch einen Dritten ins Internet gestellt wurden.


Der BfDI sieht in der gezielten Abfrage von Daten aus sozialen Netzwerken eine Datenerhebung bei Dritten. Eine solche Abfrage ist nur zulässig, wenn eine gesetzliche Regelung dies ausnahmsweise erlaubt. Als Ausnahmetatbestand kommt hier § 67a Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 lit. b) SGB X in Betracht; danach muss die Erhebung bei anderen Personen oder Stellen zur Erfüllung der Aufgaben des Jobcenters erforderlich sein, da sie nicht beim Betroffenen selbst erfolgen kann.

Im Fall einer Missbrauchskontrolle kann dies ausnahmsweise so sein, es müssen aber bereits erste konkrete Anhaltspunkte für einen Missbrauch vorliegen. Ein pauschaler Abgleich ist nicht gestattet. Die Abfrage von Daten in Suchmaschinen und sozialen Netzwerken muss aber auch eine geeignete Maßnahme sein. Hier bestehen erhebliche Zweifel, da Angaben in sozialen Netzwerken aus verschiedenen Gründen häufig nicht der Realität entsprechen. Beispielsweise kann der Nutzer sein Profil lange nicht mehr aktualisiert haben oder er möchte Änderungen seiner Lebensumstände absichtlich nicht einstellen, damit sie anderen Nutzern nicht bekannt werden. Da somit die Authentizität der eingestellten Daten nicht sichergestellt ist, ist auch die Geeignetheit der Erhebung entsprechender Daten in Frage gestellt.


Das Gesetz lässt eine Ausnahme vom Ersterhebungsgrundsatz auch dann zu, wenn die Erhebung beim Betroffenen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde. Die Recherche im Internet wäre häufig ein weniger aufwendiges Mittel. Das kann aber gleichwohl nicht ihren pauschalen Einsatz rechtfertigen. Es müssen Umstände vorliegen, die die Erhebung beim Betroffenen aufwendiger machen als dies gewöhnlich der Fall ist. Darüber hinaus muss auch in diesem Fall die Maßnahme geeignet sein und es dürfen keine überwiegend schutzwürdigen Interessen des Betroffenen beeinträchtigt werden. Deswegen äußerte der BfDI erhebliche Zweifel gegenüber den Jobcentern. Überdies müssten in allen Fällen die Betroffenen über die entsprechende Datenerhebung bei Dritten unterrichtet werden (§ 67a Absatz 5 SGB X), sofern sie nicht bereits Kenntnis hiervon haben.


Unangekündigte Hausbesuche

Mit der Durchführung eines unangekündigten Hausbesuchs zur Prüfung der regelmäßigen Anwesenheit des Leistungsberechtigten sowie der anlasslosen Erhebung und Speicherung des Wohnungsinventars in einer Liste verstößt ein Jobcenter gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. Bereits der Hausbesuch stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen dar. Bestehen zudem keine sachlichen Hinweise für eine Beanstandung, beispielsweise beim Vorliegen einer anonymen Anzeige, muss der Leistungsberechtigte aufgrund des Ersterhebungsgrundsatzes (§ 67a Absatz 2 Satz 1 SGB X) zunächst persönlich befragt werden. Die Anfertigung einer Inventarliste zu nicht benannten Zwecken oder als vorsorgliche Maßnahme ist einer Vorratsdatenspeicherung gleichzusetzen und nicht zulässig.


Beratung in Doppelbüros

Das Sozialgeheimnis muss auf jeden Fall gewahrt bleiben.

Parallel stattfindende Beratungsgespräche in einem Doppelbüro ermöglichen, dass Betroffene eine Vielzahl persönlicher Informationen unbekannter Dritter wahrnehmen. Jedoch umfasst die Wahrung des Sozialgeheimnisses (§ 35 Absatz 1 SGB I) die Verpflichtung, auch innerhalb des Jobcenters sicherzustellen, dass die Sozialdaten nur Befugten zugänglich sind oder nur an diese weitergegeben werden. Somit ist die gleichzeitige Beratung mehrerer Kunden in Doppelbüros unzulässig. Sofern keine baulichen Maßnahmen getroffen werden können, entspricht eine abwechselnde Terminvergabe den organisatorischen Maßnahmen nach § 78a SGB X zur Vermeidung der Kenntnisnahme von Sozialdaten durch andere Kunden.


Übermittlung von Stellungnahmen der Arbeitnehmer an ehemalige Arbeitgeber

Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie sich weigern, eine zumutbare Arbeit fortzuführen (§ 31 Absatz 1 Nummer 2 SGB II). Bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kann es somit für das Jobcenter erforderlich sein, eine Pflichtverletzung zu prüfen, die eine Minderung der Leistungen zur Folge hätte. Hierbei ist seitens des Jobcenters der Ersterhebungsgrundsatz zu beachten, nach dem Sozialdaten vorrangig beim Betroffenen zu erheben sind (§ 67a Absatz 2 Satz 1 SGB X). Sind die Angaben des Arbeitnehmers nicht ausreichend, hat das Jobcenter den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (§ 20 Absatz 1 SGB X). Dabei ist eine Übermittlung von Sozialdaten an den ehemaligen Arbeitgeber, um diesen nach Gründen der Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses zu befragen, nach § 67d, § 68 Absatz 1 Nummer 1 SGB X i.V.m. § 31 Absatz 1 Nummer 2 SGB II zulässig, wenn dies für die Entscheidung der Pflichtverletzung erforderlich ist.


Somit müssen die Jobcenter im Einzelfall prüfen, ob die Weiterleitung der Stellungnahme des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber überhaupt erforderlich ist. Die Stellungnahme des Arbeitnehmers zum Kündigungsgrund soll dem Arbeitgeber nur in begründeten Ausnahmefällen zur Kenntnis gegeben werden. Weiterhin soll der Arbeitnehmer bereits im Anhörungsschreiben einen Hinweis erhalten, dass seine Stellungnahme dem früheren Arbeitgeber ganz oder in Auszügen bekannt gegeben werden darf, wenn sich der Sachverhalt nur auf diese Weise vollständig aufklären lässt.


Übermittlung von Sozialdaten an Vermieter

Jobcenter dürfen den Sozialleistungsbezug von Antragstellern in der Regel nicht ohne deren Einwilligung an Vermieter offenbaren.

Nach § 67a Absatz 2 Satz 1 SGB X sind Sozialdaten beim Betroffenen zu erheben. Das Jobcenter ist deswegen verpflichtet, die für die Prüfung von Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) nach § 22 SGB II benötigten Daten beim Betroffenen selbst zu erheben. Diese Leistungen werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (§ 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II). Für die Berechnung der KdU benötigt das Jobcenter daher Angaben zu den Wohnverhältnissen der leistungsberechtigten Person.


Die Art und Weise, wie der Betroffene die Daten zu erbringen hat, wird vom Gesetz nicht näher bestimmt. Die von Jobcentern verlangte Vermieterbescheinigung stellt insofern lediglich ein Angebot für eine erleichterte Antragstellung dar, sodass keine Verpflichtung des Betroffenen zur Vorlage der ausgefüllten Bescheinigung des Vermieters besteht. Mangels Qualität einer Beweisurkunde i.S.v. § 60 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB I können dem Betroffenen bei Nichtvorlage auch keine Nachteile aufgrund fehlender Mitwirkung entstehen.

Als alternativer Nachweis der Mietkosten bieten sich die Vorlage des Mietvertrages und die Vorlage von Unterlagen zu Neben-, Heiz- und sonstigen Kosten an. Bei dem Mietvertrag können nicht leistungsrelevante Passagen geschwärzt werden, um etwa Daten von Mitmietern oder die des Vermieters nicht zu offenbaren. Wenn einzelne Nachweise nicht erbracht werden können oder wenn im Einzelfall der begründete Verdacht besteht, dass Angaben unrichtig oder unvollständig sind, können weitere Nachweise verlangt werden. Bei Untermietverhältnissen besteht grundsätzlich keine Verpflichtung, den Hauptmietvertrag vorzulegen. In besonders begründeten Einzelfällen kann allerdings eine Aufforderung dazu erfolgen.

Ohne eine Vermieterbescheinigung werden in der Regel Angaben wie das Alter des Hauses fehlen. Sofern der Betroffene insoweit benötigte Daten nicht vorlegt, kann das Jobcenter das Alter eines Hauses beispielsweise beim Katasteramt erfragen, ohne dass ein Bezug zum Betroffenen hergestellt werden muss.


Diese Grundsätze zur Wahrung des Sozialgeheimnisses nach § 35 SGB I gegenüber einem Vermieter durch die Jobcenter hat auch die aktuelle Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25. Januar 2012 (Az. B 14 AS 65/11 R 1[5]) bestätigt. Wie das BSG darin feststellt, ist der Bezug von Arbeitslosengeld II ein Sozialdatum, dessen Offenbarung durch ein Jobcenter nur zulässig ist, wenn der Leistungsbezieher eingewilligt hat oder eine gesetzliche Offenbarungsbefugnis vorliegt.


Forschung und Planung in der Arbeitsverwaltung

Die BA darf Sozialdaten an private Umfrage- und Meinungsforschungsinstitute ohne Einwilligung der Betroffenen weitergeben, soweit sie die gesetzlichen Vorgaben einhält.

Vielen Betroffenen ist nicht bewusst, dass der Gesetzgeber neben ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung weitere Grundrechtspositionen berücksichtigen muss, wie etwa die Forschungsfreiheit nach Artikel 5 Absatz 3 Grundgesetz. Eine Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten für die Zwecke der Forschung und Planung ist nach den Regelungen des Sozialgesetzbuchs auch ohne Einwilligung der Betroffenen möglich. Diese Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung stellt allerdings eine Ausnahme dar, die an enge gesetzliche Voraussetzungen gebunden ist.

Um bewerten zu können, ob diese Datenweitergabe ohne Einwilligung der Betroffenen zulässig ist, müssen zunächst Forschung und Planung der BA selbst von der durch Dritte durchgeführten Forschungsvorhaben unterschieden werden. Die Differenzierung kann für die Betroffenen schwierig sein, zumal in beiden Fällen die Befragung durch externe Forschungsinstitute möglich ist. Hinzu kommt, dass bestimmte Forschungsgebiete für die BA gesetzlich vorgegeben sind und sie andere Vorhaben auf eigene Initiative durchführen kann. Bei den eigenen Vorhaben kann sich die BA eines geeigneten Dritten im Rahmen der Auftragsdatenverarbeitung nach § 80 SGB X bedienen. Das Institut, das den Auftrag durchführt, ist an die Vorgaben der BA gebunden. Es darf die erhaltenen Daten nicht für andere oder eigene Zwecke verwenden.


Die Weitergabe der Daten an das Forschungsinstitut stellt im Rahmen der Auftragsdatenverarbeitung nach § 80 SGB X keine Übermittlung von Sozialdaten dar, da die BA verantwortliche Stelle bleibt. Weil rechtlich keine Übermittlung erfolgt, kann auch keine Einwilligung für die Übermittlung eingeholt werden. Für die Frage der Zulässigkeit einer Telefonbefragung ist daher in diesen Fällen allein die Zulässigkeit der Datennutzung nach § 67b i.V.m. § 67c SGB X entscheidend.

Bei Forschungsvorhaben von Dritten übermittelt die BA die erforderlichen Daten auf Grundlage des § 75 SGB X. § 75 Absatz 1 SGB X sieht als Voraussetzung grundsätzlich die vorherige Zustimmung (Einwilligung) der Betroffenen in die Übermittlung vor. Hiervon darf nur unter engen Voraussetzungen abgewichen werden. Die oberste Bundesbehörde, im Fall der BA das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), muss zudem der Übermittlung nach § 75 Absatz 2 SGB X immer zustimmen.


Die Forschungsinstitute unterrichten in der Regel die Betroffenen durch ein Ankündigungsschreiben von der erfolgten Datenübermittlung und der geplanten Befragung. In einigen Fällen werden diese Informationen auch zu Beginn des Telefongesprächs mitgeteilt. Zudem äußern sich die Mitarbeiter von seriösen Forschungsinstituten bei einer telefonischen Befragung zu ihrem Auftraggeber, zum Zweck der Befragung und zur Dauer der Datenspeicherung und rufen mit sichtbarer Rufnummer an, durch die ein Rückruf und der Erhalt weiterer Informationen ermöglicht werden.


Übermittlung personenbezogener Daten von Lehrkräften

Der Datenkatalog für die Zulassung als Maßnahmeträger enthält sieben Punkte, die zu den Lehrkräften angefordert werden (Name und Vorname, Geburtsdatum, Einsatz als ..., Qualifikation für den vorgesehenen Einsatz, Zeitstunden in der Maßnahme, Anstellungsverhältnis, Einsatz in weiteren Maßnahmen).

Die BA darf diese Daten nach §§ 176 ff. SGB III i.V.m. der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung erheben. Die Kenntnis dieser Daten ist erforderlich, um eine ordnungsgemäße Maßnahmedurchführung durch entsprechend geeignetes und qualifiziertes Personal zu gewährleisten.


Weitere Informationen

Ratgeber zu Hartz IV - Die Landesbeauftragte für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht Brandenburg, Stand August 2012, zuletzt abgerufen am 29.11.2014

Einzelnachweise

  1. ^ HEGA 03/13 - 09 - Hinweise zum Aufbau und Führen einer Leistungsakte und verbindliche Regelungen zu den Aufbewahrungsfristen im Rechtskreis SGB II, zuletzt abgerufen am 29.11.2014
  2. ^ Urteil des Bundessozialgerichtes vom 19.02.2009, Az. B 4 AS 10/08 R, zuletzt abgerufen am 29.11.2014
  3. ^ HEGA 09/11 - 11 - Praxisleitfaden zur Einschaltung der Fachdienste, Praxisleitfaden zur Einschaltung des Ärztlichen Dienstes im Bereich des SGB II und SGB III, zuletzt abgerufen am 29.11.2014
  4. ^ Basisinformationen über den Vorgang Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Sozialgesetzbuchs über den Schutz der Sozialdaten sowie zur Änderung anderer Vorschriften (Zweites Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuchs - 2. SGBÄndG) (G-SIG: 12020515), zuletzt abgerufen am 29.11.2014
  5. ^ Urteil des Bundessozialgerichtes vom 25.01.2012, Az. B 14 AS 65/11 R, zuletzt abgerufen am 29.11.2014


Dieser Text wurde aus dem Datenschutz-Wiki der BfDI übernommen. Bearbeitungen vor dem 16.April 2016 stehen unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland.