BDSG a.F. Kommentare und Erläuterungen

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§ 3 Weitere Begriffsbestimmungen

Absatz 3 Text

(3) Erheben ist das Beschaffen von Daten über den Betroffenen.

Erheben

Die Erhebung ist nicht als Phase der Datenverarbeitung (§ 3 Abs. 4) gefasst, sondern als eigenständiger Begriff davon abgegrenzt. Dies hat nur historische Gründe; die Zulässigkeit der Erhebung war anfänglich im Gesetz nicht geregelt. Sie ist wird nun jeweils gesondert genannt, so bei der grundlegenden Zulässigkeitsregelung des § 4, dem Datengeheimnis des § 5 und der Verpflichtung zu technischen und organisatorischen Maßnahmen nach § 9. Die Erhebung spielt insofern eine besondere Rolle, als bei der Zweckbindung jeweils auf den Zweck abgestellt wird, für den die Daten erhoben worden sind.


Das BDSG definiert das Erheben als das Beschaffen von Daten über den Betroffenen. Das Erheben besteht damit in der Aktivität einer Stelle, Kenntnis von den betreffenden Daten zu erlangen oder Verfügung über diese zu erhalten. Zur objektiven Tatsache des Erhaltens von Daten muss ein aktives Handeln kommen, das von einem entsprechenden Willen der handelnden Person getragen ist. Kein Erheben ist das Heraussuchen (-lassen) aus einem schon vorhandenen Datenbestand. Das Durchblättern von Schriftstücken, etwa durch Zollbeamte, ist noch kein Erheben, wenn dabei keine personenbezogene Daten zur Kenntnis genommen werden.


Der Begriff der Erhebung wird vom Gesetz ohne Rücksicht auf eine bestimmte Organisationsform bestimmt. So wird, anders als bei der Verarbeitung nach § 3 Abs. 4, weder ein automatisiertes Verfahren noch ein Dateibezug gefordert. Im Ergebnis ist der Unterschied jedoch gering. Denn nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 ist das Gesetz auf nicht-öffentliche Stellen generell nur anwendbar, wenn diese

„Daten in oder aus nicht automatisierten Dateien verarbeiten, nutzen oder dafür erheben“.

Liegt eine Erhebung im Sinne der Definition vor, so hängt die Anwendbarkeit des Gesetzes von der zusätzlichen Voraussetzung ab, dass sie entweder für eine automatisierte oder dateiförmige Verarbeitung erfolgt, wozu die automatisiert ablaufende Erhebung zu zählen ist. Ob für eine solche Verarbeitung oder Nutzung erhoben wird, ist nach den objektiven Umständen zu beurteilen.

Die Definition erfasst auch Einzelmaßnahmen und ist insofern weiter gefasst, als der der Erhebung in der Statistik und der Demoskopie, bei denen nur die systematische Befragung, Beobachtung oder Messung von Daten in einer Vielzahl von Fällen (mit dem Zweck einer statistischen Auswertung) als Erhebung bezeichnet wird.


Kein Erheben liegt vor, wenn sich der Datenbestand einer Stelle ohne ihr Zutun erweitert. Dazu zählen insbesondere die unverlangte Mitteilung und die unverlangte Zusendung von Daten und der Anfall durch andere einseitige Verfügungen Dritter, etwa durch Schenkung oder testamentarische Verfügung. Erfolgt die Übergabe oder Anlieferung dagegen in Erfüllung einer zuvor getroffenen vertraglichen oder sonstigen Absprache, so handelt es sich um „beschaffte“ Daten. Ebenso liegt der Fall, wenn der Empfänger zuvor öffentlich oder gegenüber der über die Daten verfügenden Stelle sein Interesse an den Daten oder Daten einer bestimmten Art geäußert hat.


Soweit steuerliche (oder andere) Kontrollmitteilungen durch Dienstvorschriften nach Anlass und Inhalt der mitteilenden Stelle konkret vorgeschrieben sind, ist von einer Erhebung durch die empfangende Stelle auszugehen, da ihr die Anordnung seitens der vorgesetzten Behörde zugerechnet werden kann.

Das bloße Vorhalten von Empfangsvorrichtungen, wie Briefkästen, Fax-Geräten, E-Mail-Accounts oder Websites mit Eingabemöglichkeit, aber ohne inhaltlich konkretisierte Aufforderung (also etwa: „Für Mitteilungen“), ist kein Erheben der damit empfangenen Daten. Bei gezieltem Funkempfang versehentlich mit erfasste sonstige Daten sind ebenfalls nicht erhoben.


Für das Vorliegen einer Erhebung ist der Anlass der Datenbeschaffung, ihr Zweck und die beabsichtigte oder tatsächliche Verwendung der erhaltenen Informationen irrelevant. Insbesondere braucht nicht die Absicht bestehen, die Informationen personenbezogen zu verwenden. Auch die Methode der Beschaffung spielt keine Rolle. Neben der Befragung kommen etwa

  • die Beobachtung,
  • Bild- und Tonaufnahmen,
  • Körperscanner,
  • die Aufnahme von Funksignalen (RFID-Tags in Ausweisen, auf Waren),
  • intelligente Messverfahren („Smart Meter“),
  • GPS-gestützte Lokalisierung,
  • biometrische und andere Messungen sowie
  • die körperliche Übernahme aller Arten von Informationsträgern in Betracht.

Ziel der Erhebung können ebenso Daten über die Verhältnisse des (bekannten) Betroffenen sein (Gewicht, Größe, Aussehen, Ort und Zeit des Aufenthalts, durch Körperscanner erkennbare Auffälligkeiten usw.) wie die Identifikation eines unbekannten Betroffenen (an Mautstellen gelesene Daten, biometrische Erkennung von Passanten, Scannen von Kennzeichen stehender oder fahrender Kfz-, kontaktlos gelesene Ausweise). Die Beteiligung des Betroffenen ist für den Begriff ohne Bedeutung, wie sich aus der abgestuften Zulässigkeitsregelung des § 4 Abs. 2 ergibt.


Ebenso genügt es vollauf, wenn die Möglichkeit eröffnet wird, die beschaffte Information zur Kenntnis zu nehmen oder auf sonstige Weise inhaltlich zu nutzen. Für den Begriff der Erhebung irrelevant ist schließlich auch, ob das Beschaffen unmittelbar in eine Speicherung der beschafften Daten einmündet. Wie bereits erwähnt, hängt bei nicht-öffentlichen Stellen die Anwendbarkeit des Gesetzes jedoch von einem Bezug zu einer automatisierten oder dateiförmigen Verarbeitung ab.


Die Übernahme von Datenträgern zur auftragsgemäßen Vernichtung oder Löschung ist kein Erheben, wenn - wie gesetzlich gefordert - durch Organisation und Technik eine einwandfreie Beseitigung der personenbezogenen Daten gewährleistet ist. Sind Daten ohne Erhebungsaktivität in den Herrschaftsbereich der verantwortlichen Stelle gelangt, so liegt auch in nachfolgenden Maßnahmen, wie etwa einer Festlegung ihres Verwendungszwecks oder ihrer Verwendung, keine Erhebung, da die Daten bereits beschafft sind. Die Zulässigkeit solcher Maßnahmen ist unter dem Gesichtspunkt der Speicherung oder Verwendung zu beurteilen.


Ein Erheben fällt mangels Personenbezug nicht unter das Gesetz, wenn der Betroffene nicht bestimmbar ist. So ist z.B. eine Urnenwahl so organisiert, dass die Art der Abstimmung keiner bestimmbaren Person zugeordnet werden kann.


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Dieser Text wurde aus dem Datenschutz-Wiki der BfDI übernommen. Bearbeitungen vor dem 16.April 2016 stehen unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland.