BDSG a.F. Kommentare und Erläuterungen
§ 32 Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses
Absatz 1 Text
(1) Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.
Begründung des Beschäftigungsverhältnisses
Die Regelungen des § 32 gelten bereits in der Phase der Anbahnung eines Beschäftigtenverhältnisses. Bereits Bewerber zählen zu zum Kreis der Beschäftigten (§ 3 Abs. 11 Nr. 7) und § 32 bezieht die "Begründung" ausdrücklich ein.
Fragerecht des Arbeitgebers oder Dienstherrn
Bereits vor Inkrafttreten des § 32 hat die Rechtsprechung das Fragerecht des Arbeitgebers bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses auf Fragen beschränkt, an deren Beantwortung der Arbeitgeber ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse hat (vgl. BAG, Urteil vom 05.12.1957, AZ 1 AZR 594/56; LAG Düsseldorf, Urteil vom 24.04.2008, Az 11 Sa 2101/07). Dies wurde nur bejaht, wenn die Datenerhebung durch den Arbeitgeber für das jeweils in Aussicht genommene Beschäftigungsverhältnis erforderlich ist. Bei zu weit gehenden Fragen hatte der Bewerber ein "Recht zur Lüge", d.h. er war vor negativen Folgen geschützt. An diesen Grundsätzen hat sich durch § 32 im Ergebnis nichts geändert; wie sich den Materialien entnehmen lässt. Es wurde lediglich das Kriterium für die Zulässigkeit dahin präzisiert, dass die Erforderlichkeit für die Begründung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben sein muss.
Erforderlich sind insbesondere Fragen des Arbeitgebers nach
- den Qualifikationen
- dem beruflichen Werdegang
- Wettbewerbsverboten, wenn diese die vorgesehene Tätigkeit einschließen
- Vorstrafen, soweit sie für die konkrete Arbeitsbeziehung relevant sind, wie etwa Vermögensdelikte für einen Buchhalter oder Kassierer; im Zentralregister nach den §§ 45 ff. BZRG getilgte Strafen sind ausgenommen
- laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, nur soweit die Delikte einen Arbeitsplatzbezug haben,
- dem Gesundheitszustand des Bewerbers, wenn dies durch arbeitsplatzbedingte Anforderungen oder Gefahren gerechtfertigt ist; Fragen nach dem allgemeinen Gesundheitszustand oder nach Vorerkrankungen sind grundsätzlich unzulässig
- ansteckenden Krankheiten (wegen Risiken für Kollegen und Kunden des Arbeitgebers)
- Alkohol- oder Drogenabhängigkeit (da regelmäßig relevant für Eignung)
- HIV-Infektion bei Arbeitsplatz mit Gefahr eines Blutkontaktes mit anderen Personen
- Vermögensverhältnissen und sonstigen wirtschaftlichen Verhältnissen (z.B. Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO, Verbraucherinsolvenzverfahren, Lohnpfändungen oder -abtretungen) ausnahmsweise, bei besonderer Vertrauensstellung in Bezug auf relevante Vermögensinteressen.
Besonderheiten gelten für den Zugang zum öffentlichen Dienst. Zur Klärung der Verfassungstreue von Bewerbern kann der öffentliche Arbeitgeber bzw. Dienstherr sachdienliche Fragen stellen, insbesondere nach der Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei, nach der Zugehörigkeit zu einer Vereinigung mit verfassungsfeindlichem Charakter oder einer früheren Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR.
Wegen Verstoßes gegen § 1, § 7 Abs. 1, § 24 AGG unzulässige diskriminierende Fragen sind nach § 32 Abs. 1 Satz 1 nicht erforderlich.
Wegen Geschlechterdiskriminierung sind Fragen unzulässig, die nur ein Geschlecht betreffen, so die Frage nach
- der Schwangerschaft von Bewerberinnen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG und Art. 2 Abs. 2 lit. c Richtlinie 2006/54/EG sowie § 7 Abs. 2 BGleiG)
- der Sicherstellung der Betreuung von Kindern, behinderten oder pflegebedürftigen Angehörigen (§ 7 Abs. 2 BGleiG)
- der Ableistung des Wehr- oder Zivildienstes.
Fragen nach der Religion oder Weltanschauung von Bewerbern sind grundsätzlich diskriminierend und daher nach §§ 1, 7 Abs. 1 AGG verboten. Ausnahmen:
- Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft oder das Bekenntnis zu einer bestimmtem Weltanschauung ist eine entscheidende berufliche Anforderung für die Position, etwa bei Beschäftigung im verkündigungsnahen Bereich durch eine Religionsgemeinschaft i.S.v Art. 140 GG i.V.m Art. 137 Abs. 5 WRV (vgl. § 9 AGG und Art. 4 Abs. 2 Richtlinie 2000/78/EG):
- Die Kenntnis der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft ist erforderlich, damit der Arbeitgeber seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Abführung der Kirchensteuer nachkommen kann.
Die Frage nach einer anerkannten Schwerbehinderung des Bewerbers wurde früher als zulässig angesehen. Sie ist nach §§ 1, 7 AGG, § 81 Abs. 2 SGB IX nur noch zulässig, wenn das Fehlen einer Behinderung eine entscheidende berufliche Anforderung für vorgesehene Tätigkeit darstellt.
Generell unzulässig sind Fragen an Bewerber nach
- der sexuellen Orientierung
- der Gewerkschaftszugehörigkeit
- genetischen Eigenschaften (§ 21 Abs. 1 i.V.m. § 3 Nr. 12 Buchst g GenDG)
Ärztliche Untersuchungen und psychologische Tests
Der Grundsatz der Erforderlichkeit für die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 32 Abs. 1 Satz 1 gilt auch für die Anforderung von ärztlichen Untersuchungen und psychologischen Tests. Die Untersuchung darf den gesundheitlichen Zustand eines Bewerbers nur insoweit feststellen, wie dieser auskunftspflichtig in Bezug auf seine gesundheitliche Eignung für die vorgesehene Tätigkeit ist. In einzelnen Bereichen besteht eine gesetzliche Pflicht zur Durchführung einer ärztlichen Eignungsuntersuchung, so z.B.
- für jugendliche Arbeitnehmer nach § 32 Abs. 1 JArbSchG
- für Tätigkeiten im Lebensmittelbereich nach § 43 Abs. 1 IfSG
- zur Ermittlung der Seediensttauglichkeit nach § 81 Abs. 1 SeemG
- arbeitsmedizinischer Untersuchungen für Arbeiten, die mit Gefahren für Leben und Gesundheit verbunden auf Grund von Unfallverhütungsvorschriften nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII.
Der Grundsatz der Arbeitsplatzbezogenheit der Gesundheitsuntersuchung gilt auch für Blut- und Urinproben zur Feststellung eines bestehenden Alkoholmissbrauches oder Drogenkonsum.
Der untersuchende Arzt oder Psychologe darf lediglich eine allgemeine Aussage über die gesundheitliche Eignung des Bewerbers für die in Aussicht genommene Tätigkeit abgeben (z.B. „geeignet“ oder „ungeeignet“). Alles andere, insbesondere Diagnose und Krankheitsgeschichte, unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht (vgl. § 15 Abs. 2 Nr. 9 SGB VII, der einen allgemeinen Rechtsgrundsatz zum Ausdruck bringt).
Die Beamtengesetze des Bundes und der Länder verlangen als Voraussetzung für die Verbeamtung eine ärztliche Untersuchung des Bewerbers (z.B. § 9 Abs. 2 Niedersächsisches Beamtengesetz NBG). Die Berechtigung, den allgemeinen Gesundheitszustand unabhängig vom vorgesehenen Arbeitsplatz zu erkunden, wird allerdings zunehmend bestritten.
Die Einholung von graphologischen Gutachten ist nach der Rechtsprechung nur mit Einwilligung des betroffenen Bewerbers zulässig (vgl. BAG, Urteil vom 16.09.1982, Az 2 AZR 228/80).
Genetische Untersuchungen
Für genetische Untersuchungen von Bewerbern gelten die Sonderregeln des Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (GenDG) vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2529), § 32 Abs. 1 Satz 1 ist insoweit nicht anwendbar. §§ 19, 20 Abs. 1 GenDG verbieten grundsätzlich genetische Untersuchungen und Analysen vor oder nach der Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses. Der Arbeitgeber darf auch nicht die Mitteilung von Ergebnissen bereits vorgenommener genetischer Untersuchungen oder Analysen verlangen, entgegennehmen oder verwenden (§ 19 Nr. 2 GenDG). Im Rahmen arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen sind diagnostische genetische Untersuchungen durch Genproduktanalyse ausnahmsweise zulässig, soweit sie zur Feststellung genetischer Eigenschaften erforderlich sind, die für schwerwiegende Erkrankungen oder schwerwiegende gesundheitliche Störungen, die bei einer Beschäftigung an einem bestimmten Arbeitsplatz oder mit einer bestimmten Tätigkeit entstehen können, ursächlich oder mitursächlich sind (§ 20 Abs. 2 Satz 1 GenDG).
Datenerhebung nicht beim Betroffenen
Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 BDSG sind Daten grundsätzlich beim Betroffenen zu erheben Der Grundsatz der Direkterhebung gilt auch für die Begründung von Beschäftigungsverhältnissen. Allerdings ist eine Datenerhebung bei Dritten ausnahmsweise unter anderem dann zulässig, wenn der Geschäftszweck dies erforderlich macht (§ 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 lit. a). Auch eine Datenerhebung bei Dritten darf nur insoweit erfolgen, wie der Arbeitgeber ein Fragerecht gegenüber dem Bewerber besitzt, weil er ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Informationsgewinnung hat.
Nach der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 18.12.1984, AZ 3 AZR 389/83) ist die Erteilung von Auskünften durch den bisherigen Arbeitgeber an eine Stelle, bei der sich der Arbeitnehmer bewirbt, grundsätzlich zulässig. Diese Wertung erscheint aber überprüfungsbedürftig. In der Regel steht als milderes Mittel die Einholung einer Einwilligung durch den Bewerber zur Verfügung. Ein Vorgehen ohne Wissen und Wollen des Betroffenen ist daher meist nicht geboten. Genauso verhält es sich bei einer Datenerhebung des Arbeitgebers bei anderen Dritten, wie etwa branchenbezogenen Informationsdiensten.
Für Überprüfungen für sicherheitsempfindliche Tätigkeiten nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) sind Ermittlungen bei Dritten gesetzlich zugelassen. Anfragen bei den Verfassungsschutzbehörden zur Ermittlung einer möglicherweise verfassungsfeindlichen Gesinnung und Betätigung von Bewerbern sind nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte hierfür vorliegen.
Die Einholung einer SCHUFA-Auskunft ist wegen ihres Umfangs, der über den tätigkeitsbezogenen Informationsbedarf regelmäßig hinausgeht, nicht erforderlich und daher von § 32 Abs. 1 Satz 1 nicht gedeckt.
Ebenso verhält es sich mit dem polizeilichen Führungszeugnis.
Erhebung allgemein zugänglicher Daten
Ein großer Anteil der Arbeitgeber ermittelt ergänzende Informationen über Bewerber aus dem Internet, vor allem mittels Suchmaschinen. Soziale Netzwerke, Bewertungsportale für bestimmte Berufsgruppen und Foren liefern häufig ausgiebige Hintergrundinformationen, die oft über die berufliche Sphäre hinausgehen.
Datenerhebungen im Internet verstoßen im Allgemeinen gegen den Grundsatz der Direkterhebung von Daten (§ 4 Abs. 2 Satz 1). Ausgenommen davon sind nur Daten, die der Bewerber selbst per Internet veröffentlicht, d.h. jedermann zugänglich gemacht hat. Nicht ausgenommen sind Daten in Netzwerken oder Datenbereichen, die nicht jedermann zugänglich sind, weil der Zugang zu den Daten im Hinblick auf ihre Vertraulichkeit nur im Einzelfall vom Betroffenen oder vom Betreiber eröffnet wird.
Wegen der erheblichen Gefahr, dass Daten im Internet fehlerhaft (etwa weil sie eine andere Person betreffen), inaktuell oder unter Verletzung von Persönlichkeitsrechten des Betroffenen veröffentlicht worden sind, sind Datenerhebungen per Internetrecherche im Übrigen nur dann erforderlich i.S.v § 32 Abs. 1 Satz 1, wenn sichergestellt ist, dass der Bewerber mit den Daten konfrontiert wird und Gelegenheit zu Korrektur und Stellungnahme erhält.
Arbeitsvermittlung und Personalberatung
Die Arbeitsvermittlung durch die Agentur für Arbeit (Jobcenter) folgt den bereichsspezifischen Datenschutzvorschriften der §§ 67 ff. SGB X, anwendbar gemäß § 1 SGB X. Nach § 67a Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt auch hier der Erforderlichkeitsgrundsatz bei der Datenerhebung.
Bei Vermittlung durch einen privaten Arbeitsvermittler auf der Grundlage der §§ 296 ff. SGB III sind die Vorschriften des § 298 SGB III maßgeblich. Vermittler dürfen danach Daten über zu besetzende Ausbildungs- und Arbeitsplätze und über Stellenbewerber und Ausbildungssuchende nur erheben, verarbeiten und nutzen, soweit dies für die Verrichtung ihrer Vermittlungstätigkeit erforderlich ist. Übermittelte Daten dürfen vom Empfänger nur zu dem mit der Übermittlung verfolgten Zweck verarbeitet oder genutzt werden.
Werden Personalberatungsunternehmen in das Bewerbungsverfahren eingeschaltet, etwa als Assessment Center, darf der Arbeitgeber die Bewerbungsunterlagen an das Unternehmen weiterleiten, soweit dafür erforderlich (§ 32 Abs. 1 Satz 1). Nach Abschluss des Verfahrens sind die Bewerberdaten von der Personalberatung zu löschen, abgesehen von den Ergebnissen, die an den Auftraggeber gehen. Eine weitere Speicherung und Nutzung von Daten nur mit Einwilligung der Betroffenen (§ 4a BDSG) ist unzulässig.
Datennutzung
Der Verarbeitungszweck der Bewerberdaten ist mit dem Abschluss des Bewerbungsverfahrens erfüllt. Bis dahin darf die verantwortliche Stelle die Angaben zweckgerecht verwenden, soweit dies für die Anbahnung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Danach sind die Unterlagen so lange gesperrt aufzubewahren, wie mit Rechtsstreitigkeiten, etwa mit Klagen abgelehnter Mitbewerber, zu rechnen ist, d.h. nach § 61b Abs. 1 ArbGG drei Monate. Anschließend sind die Unterlagen zu vernichten oder den Betroffenen zurückzugeben. Nur mit Zustimmung des Bewerbers dürfen die Unterlagen bzw. Daten im Hinblick auf künftig zu besetzende Positionen länger aufbewahrt werden.
→ § 32 BDSG a.F. Kommentar Absatz 1 Teil 1
→ § 32 BDSG a.F. Kommentar Absatz 1 Teil 2
→ § 32 BDSG a.F. Kommentar Absatz 1 Teil 3
→ § 32 BDSG a.F. Kommentar Absatz 1 Teil 4
Online-Kommentare
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Dieser Text wurde aus dem Datenschutz-Wiki der BfDI übernommen. Bearbeitungen vor dem 16.April 2016 stehen unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland.