BDSG a.F. Kommentare und Erläuterungen

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§ 1 Zweck und Anwendungsbereich des Gesetzes

Absatz 3 Text

(3) Soweit andere Rechtsvorschriften des Bundes auf personenbezogene Daten einschließlich deren Veröffentlichung anzuwenden sind, gehen sie den Vorschriften dieses Gesetzes vor. Die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt.

Vorrang anderer Rechtsvorschriften

Satz 1 bestimmt, welche Vorschrift anzuwenden ist, wenn ein Sachverhalt, auf den das BDSG anwendbar ist, zugleich unter eine bereichsspezifische Regelungen fällt. In diesem Fall räumt Satz 1 der bereichsspezifischen Regelungen den Vorrang vor der Vorschrift des BDSG ein. Dies wird auch als "Subsidiarität" des BDSG bezeichnet. Satz 2 bestimmt, dass die meist schon vor dem BDSG bestehenden Sondergeheimnisse unberührt bleiben, also durch die Weitergabe- bzw. Übermittlungsvorschriften des BDSG nicht geändert werden sollen.

Die Regelungen des Abs. 3 spielen keine Rolle, wenn das Spezialgesetz selbst festlegt, welche BDSG-Vorschriften ergänzend anzuwenden oder nicht anzuwenden sind, wie etwa


Anwendungsvoraussetzungen (Satz 1)

Der Vorrang wird von Satz 1 nur bundesrechtlichen Vorschriften eingeräumt. Stehen dagegen unmittelbar anwendbare Bestimmungen des europäischen Gemeinschaftsrechts in Konkurrenz zu Vorschriften des BDSG, so ergibt sich deren Vorrang vor nationalem Recht aus Art.288 Abs.2 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union). Dies betrifft im Wesentlichen EU-Verordnungen. Unter Satz 1 fallen jedoch Bundesgesetze, die EU-Richtlinien nach Art. 288 Abs. 3 AEUV in die deutsche Rechtsordnung umsetzen.

Ob besondere Rechtsvorschriften vor oder nach dem BDSG erlassen wurden, spielt keine Rolle. Der Vorrang bereichsspezifischer Bundesvorschriften vor dem Datenschutzrecht der Länder ergibt sich nicht aus § 1 Abs. 3 BDSG, sondern aus Art.31 Grundgesetz (GG) („Bundesrecht bricht Landesrecht.“), soweit die Gesetzgebungskompetenz des Bundes eingehalten wird.

Rechtsvorschriften des Bundes

Unter die Rechtsvorschriften des Bundes fallen zunächst alle Gesetze im formellen Sinn. Dazu gehören auch die in bundesdeutsches Recht durch ein Zustimmungsgesetz inkorporierten Staatsverträge sowie die zur Umsetzung von EG-Richtlinien erlassenen Gesetze.

Rechtsvorschriften des Bundes sind auch die Rechtsverordnungen sowie die Satzungen der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts.

Keine Rechtsvorschriften nach Satz 1 sind Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen (auch wenn sie andere Rechtsvorschriften i.S.v. § 4 Abs. 1 Rechtsgrundlage zur Verarbeitung personenbezogener Daten sein können).

Mangels Außenwirkung sind Erlasse und Verwaltungsvorschriften keine Rechtsvorschriften. Keine konstitutive (begründende) Rechtswirkung haben Verhaltensregeln nach § 38a. Sie konkretisieren nur die Rechtslage und fallen daher nicht unter Satz 1.

Deckungsgleichheit

Der Vorrang der Spezialvorschrift - und dementsprechend die Nichtanwendung der BDSG-Regelung - geht nur "soweit", wie die Spezialregelung eine abweichende Regelung vorsieht. Dazu sind die Sachverhalte genau zu vergleichen. Oft erfassen Spezialvorschriften nur einzelne Elemente der Datenverarbeitung oder des Datenumgangs oder einzelne Rechte des Betroffenen. Das Steuergeheimnis nach §30 Abgabenordnung (AO) tangiert weder die Speicherung, Änderung oder Löschung von Daten noch die Auskunftserteilung an den Betroffenen. Unanwendbar sind deshalb nur die Übermittlungsregelungen des BDSG (§ 4, § 4b, § 4c, § 15, § 16). Auch die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) enthält nur punktuelle Regelungen und verdrängt das Bundesdatenschutzgesetz deshalb nicht als ganzes. Selbst umfangreiche Spezialregelungen wie das Sozialgesetzbuch (SGB) und das Telemediengesetz (TMG) sind meist keine Vollregelungen, so dass bestimmte Elemente des BDSG anwendbar bleiben, wie etwa das Datengeheimnis, die Maßnahmen nach § 9, die interne Kontrolle durch Datenschutzbeauftragte und die Aufsicht.


Parallelgeltung besonderer Geheimhaltungspflichten (Satz 2)

Satz 2 bewirkt, dass der für bestimmte Bereiche geltende verstärkte Geheimnisschutz nicht durch das BDSG vermindert wird. Die hier angesprochenen Geheimhaltungsvorschriften dienen dem Schutz besonderer Vertrauensbeziehungen.

Regelungsbereich

Satz 2 umfasst drei Kategorien, nämlich

  • die gesetzlichen Geheimhaltungspflichten
  • die Berufsgeheimnisse, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, sowie
  • die besonderen Amtsgeheimnisse, die nicht gesetzlich geregelt sind.

Beim Berufsgeheimnis sind die Berufsangehörigen zur Geheimhaltung verpflichtet, damit ihre Klienten sich ihnen ohne Angst vor einem Bekanntwerden ihrer Mitteilungen anvertrauen können. Typische gesetzlich geregelte Berufsgeheimnisse sind das Anwalts- und das Notargeheimnis sowie die Verschwiegenheitspflichten der Steuerberater und der Wirtschaftsprüfer. Zu den gesetzlich geregelten besonderen Amtsgeheimnissen zählen Steuergeheimnis, das Statistikgeheimnis und das Sozialgeheimnis. An das Adoptionsgeheimnis nach §1758 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind neben Mitarbeitern von Behörden und Gerichten auch Dritte gebunden, die Kenntnis von Tatsache und Umständen einer Adoption erhalten.

Nicht ein persönliches Vertrauensverhältnis, sondern eine geschäftsmäßige Dienstleistung, die den faktischen Zugang zu enorm umfangreichen privaten (und geschäftlichen) Informationen eröffnet, ist der innere Grund für das Postgeheimnis nach §39 Abs.1 Postgesetz (PostG) und das Fernmeldegeheimnis nach §88 TKG.

Für die Anwendbarkeit von Satz 2 ist es nicht erforderlich, dass sich eine Regelung nur auf persönliche Informationen bezieht. Sie kann auch dienstlich oder beruflich zur Kenntnis genommene Informationen einschließen.

Die Geheimhaltungspflicht muss außerhalb des BDSG gesetzlich angeordnet sein. Es genügt nicht, dass nur auf sie Bezug genommen wird oder ihr Bestehen sonst vorausgesetzt wird. Strafdrohungen wie in §203 Strafgesetzbuch (StGB) reichen für sich daher nicht aus.

Das Arztgeheimnis ist durch die ärztlichen Berufsordnungen, die als autonomes Satzungsrecht der (Landes-)Ärztekammern angeordnet. Es ist für die der Kammer angehörigen Ärzte verbindliches Recht. Für Klinikärzte gelten Regelungen der Landeskrankenhausgesetze. Die anwaltliche Schweigepflicht beruht auf §43a BRAO.

Im Finanzsektor bestehen besondere Amtsgeheimnisse nach §9 Gesetz über das Kreditwesen (KWG) und §32 Gesetz über die Deutsche Bundesbank (BBankG).

Nicht damit zu verwechseln ist das sog. Bankgeheimnis. Es ist lediglich Inhalt einer vertraglichen Nebenpflicht des Kreditinstitut gegenüber seinem Kunden. Eine gesetzliche Fundierung hat es nicht. Als Bankgeheimnis wird auch die Regelung des § 30a AO bezeichnet, die die Nachforschungsbefugnisse der Finanzämter bei Kreditinstituten in gewissem Umfang eingeschränkt.

Eine geringere Rolle spielt die dritte Fallgruppe der untergesetzlichen besonderen Amtsgeheimnisse. Dazu gehört das von der Rechtsprechung entwickelte „Personalaktengeheimnis“, soweit es sich auf Beschäftigte bezieht, die nicht Beamte sind. Für letztere ist das Personalaktenrecht einschließlich des Personalaktengeheimnisses in §106 ff. Bundesbeamtengesetz (BBG) detailliert gesetzlich geregelt worden.

Rechtsfolgen

Die in Satz 2 gewählte Formulierung "bleibt unberührt“ bedeutet eine ergänzende Geltung und unterscheidet sich vom Vorrang nach Satz 1. Sind die Regelungen, die die besondere Geheimhaltung ausgestalten, strenger als das BDSG, sind sie allein verbindlich. Sind sie lockerer, so kommt ergänzend das BDSG als Auffangregelung zur Anwendung.

So genügt im Anwendungsbereich des BDSG eine stillschweigende bzw. konkludente Einwilligung nicht für die Offenbarung von Patientendaten. Es gelten vielmehr die strengeren Anforderungen des § 4a Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 BDSG. Die BDSG-Übermittlungsvorschriften bleiben anwendbar, wenn eine Geheimhaltungsvorschrift nicht mehr greift, weil ein Sachverhalt allgemein bekannt geworden ist und deshalb nicht mehr als Geheimnis geschützt wird.

Die Berufs- und besonderen Amtsgeheimnisse haben für Übermittlungsempfänger Folgewirkungen nach § 39.

Umstritten war, ob und inwieweit die Kontrollbefugnisse der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder sowie der Aufsichtsbehörden durch die Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis modifiziert werden. § 24 Abs. 2 stellt dies in dem Sinne klar, dass der Vorrang bereichsspezifischer Normen nach Abs. 3 gegenüber der BfDI nicht gilt. § 24 Abs. 6 erstreckt die auf die Landesbeauftragten und die Aufsichtsbehörden.


Keine vorrangigen Rechtsvorschriften

  • Landesgesetze
  • Tarifverträge
  • Betriebsvereinbarungen
  • Dienstvereinbarungen
  • Erlasse
  • Verwaltungsvorschriften
  • Rundverfügungen
  • das allgemeine Amtsgeheimnis nach § 37 Beamtenstatusgesetz und § 67 BBG
  • Verschwiegenheitspflichten im öffentlichen Dienst
  • Bankgeheimnis


Online-Kommentare

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Dieser Text wurde aus dem Datenschutz-Wiki der BfDI übernommen. Bearbeitungen vor dem 16.April 2016 stehen unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland.